Den Interview-Prozess erfolgreich aufbauen: 4 Schritte zur Gestaltung eines strukturierten Vorstellungsgesprächs

Kann ein Vorstellungsgespräch tatsächlich die Erfolgswahrscheinlichkeit eines/r Bewerbers/in im Job realistisch abbilden? Es hängt alles davon ab, wie gut Sie die Vorstellungsgespräche führen!
In seinem Vortrag auf der Greenhouse Recruiting Optimization Roadshow erklärte Jan Fiegel, Head of Recruiting bei Oscar Health, dass man bei einem unstrukturierten Interview-Prozess genauso gut eine Münze werfen und auf das Beste hoffen kann. Mit anderen Worten: Jan ist ein großer Verfechter des strukturierten Interviews. Während bei unstrukturierten Vorstellungsgesprächen einfach der Lebenslauf der Bewerber/innen durchgegangen und viel improvisiert wird, geht es bei strukturierten Vorstellungsgesprächen darum, festzustellen, ob ein/e Bewerber/in wirklich über die Fähigkeiten verfügt, die er/sie braucht, um in einer bestimmten Position erfolgreich zu sein.
Ein strukturierter Interviewprozess verbessert nicht nur Ihre Chancen die Stelle richtig zu besetzen drastisch, sondern bringt Sie auch dazu, vorauszudenken und festzustellen, welche Fähigkeiten von Bewerber/innen für Ihr Team in Zukunft am nützlichsten sein werden. Außerdem können Sie sich so auf die wichtigsten Auswahlkriterien konzentrieren und bei der Einstellung Objektivität und eine rechtlich einwandfreie Vorgehensweise sicherstellen. Wenn Sie diese Ratschläge in die Praxis umsetzen, steigt nicht nur die Qualität Ihrer neuen Mitarbeiter/innen, sondern auch der Erfolg dieser in der jeweiligen Position.
Aber wie sieht ein strukturierter Interview-Prozess eigentlich aus? Und wie können Sie einen solchen in Ihrem Unternehmen einführen? Der 4-stufige Prozess von Jan Fiegel liefert hier einen guten Ansatz:
1. Definieren Sie einen erfolgreichen Prozess
Beginnen Sie damit, klar zu umreißen, wie für diese Position eine erfolgreiche Einstellung definiert wird. Was ist das Problem, das Sie mit dieser Einstellung zu lösen versuchen?
Bei Oscar Health müssen Hiring Manager beispielsweise zu Beginn des Einstellungsverfahrens eine detaillierte Einstellungsgenehmigung einholen. Dazu müssen sie sich über den Zweck der Stelle, die Vergütung, die Berichtsstruktur und die Gründe für die Einstellung im Klaren sein.
Denn wenn nicht klar definiert ist, wer gesucht wird oder warum diese Person eingestellt werden soll, kann auch nie klar sein, wann die Suche erfolgreich beendet ist?
2. Identifizieren Sie Erfolgsfaktoren
Wenn Sie wissen, wie eine erfolgreiche Einstellung im Rahmen dieser Position definiert ist, können Sie die „Erfolgsfaktoren“ bzw. Attribute identifizieren, die Bewerber/innen mitbringen müssen, um in der Position erfolgreich zu sein. Diese variieren je nach Unternehmen und Funktion und umfassen eine Vielzahl von Kernfähigkeiten und -kompetenzen.
Wichtig ist es jedoch, sicherzustellen, dass Sie die richtigen Erfolgsfaktoren für die jeweilige Funktion identifizieren. Jan warnt zum Beispiel davor, eine zeitbasierte Kennzahl wie „fünf bis sieben Jahre Erfahrung“ als Erfolgsfaktor zu verwenden. „Wir alle wissen, dass fünf bis sieben Jahre Erfahrung nicht bedeuten, dass man gut in etwas ist – sie bedeuten nur, dass man schon viel Erfahrung hat. Osmose ist kein Lernen.“
Um sicherzustellen, dass sowohl das Unternehmen als auch die Bewerber/innen hinsichtlich Erfolgsfaktoren auf einer Linie sind, legt Oscar Health den Bewerber/innen ein „Leistungsprofil “ vor, ein Teil des Anforderungsprofils, in dem beschrieben wird, was der/die Bewerber/in im ersten Jahr in der Position erreichen soll. Bewerber/innen, die sich für eine leitende Position in der Personalabteilung bewerben, sollten im ersten Monat beispielsweise lernen, sich im Job zurechtzufinden, das Team kennenlernen und wichtige Beziehungen aufbauen. In den ersten drei Monaten sollte er oder sie schon einige wichtige Mitarbeiter/innen eingestellt, einen Wachstumsplan für alle Team-Mitglieder/innen erstellt und ein bedeutendes Projekt abgeschlossen haben, wobei der Leistungsplan genügend Spielraum für Mitbestimmung bei der Definition von Erfolg lassen sollte. Bei diesem Vorgehen hat Jan beispielsweise festgelegt, dass der/die Mitarbeiter/in ein sinnvolles Projekt durchführen soll, aber er überlässt es dem/der Mitarbeiter/in, die genauen Details dieses Projekts festzulegen.
Jan befürwortet den Leistungsprofilansatz, weil dadurch die Position für Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund geöffnet wird – es spielt zum Beispiel keine Rolle, ob Bewerber/innen noch nie in einem Start-up oder nur in Tech-Unternehmen gearbeitet haben. Dass Bewerber/innen die jeweiligen Erfolgsfaktoren mitbringen ist so viel wichtiger als die spezifischen Erfahrungen, die sie in ihrem Lebenslauf aufgeführt haben. Außerdem ermöglicht dieser Ansatz, dass Bewerber/innen sich „selbst kalibrieren“. Anstatt sich an einer Checkliste von Erfahrungen zu messen, können sich Bewerber/innen fragen, ob sie in der Lage sind, das zu erreichen, was im Leistungsprofil verlangt wird, und sich aktiv auf Stellen bewerben, die sie wirklich reizen und herausfordern. Das bedeutet auch, dass einige unqualifizierte Bewerber/innen bereits aus dem Verfahren ausscheiden, bevor sie sich überhaupt bewerben, was Zeit und Aufwand für die Personalvermittler/innen Zeit und Aufwand spart, sodass diese auf die qualifizierte Bewerber/innen konzentrieren können.
3. Gestalten Sie den Bewertungsprozess
Sobald Sie einen Überblick darüber haben, wie der Erfolg in dieser Position definiert wird, können Sie planen, wie Sie das Potenzial von Bewerber/innen für diese Position am besten beurteilen. Es gibt drei Faktoren, die dabei zu berücksichtigen sind: Inhalt, Format und der/die Bewerter/in. (Im Allgemeinen ist der/die Bewerter/in die Person (oder die Personen), die das Gespräch führt bzw. führen, aber bei anderen Ansätzen, wie z. B. Fallstudien oder Testaufgaben, die Bewerber/innen lösen sollen, dann ist es die Person, die für die Überprüfung der Ergebnisse verantwortlich ist).
Laut Jan eignen sich beispielsweise einige der Erfolgsfaktoren gut als Themen für die Beurteilung. Das Format kann von Testaufgaben bis hin zu Fallstudien, Rollenspielen oder einem Panel-Interview reichen – was immer für den Inhalt am sinnvollsten ist. Außerdem ist es wichtig, strategisch vorzugehen und die beste Person für die tatsächliche Beurteilung auszuwählen. Das muss nicht immer jemand aus Ihrer Abteilung sein vielleicht können Personen aus anderen Teams eine bestimmte Fähigkeit oder Kompetenz besonders gut einschätzen. Einige Fähigkeiten, wie strukturiertes oder analytisches Denken, sind abteilungsübergreifend vorhanden. Bei Oscar Health gibt es beispielsweise einen Mitarbeiter, der sehr gut im strukturierten Denken ist. Dementsprechend ist er dafür verantwortlich, bei Bewerber/innen die Fähigkeit zum strukturierten Denken zu bewerten, unabhängig davon, in welcher Abteilung sie eingesetzt werden sollen.
Wenn Sie Mitarbeiter/innen aus verschiedenen Teams und Abteilungen einbeziehen, sollten Ihre Bewerter/innen vorab über die zu besetzende Position informiert werden, damit sie den Kontext kennen und die Beurteilung sicher durchführen können. Außerdem ist es wichtig, alle Personen, die Vorstellungsgespräche führen entsprechend zu schulen, um Konsistenz zwischen den einzelnen Teams und Abteilungen zu gewährleisten.
4. Besprechen Sie das Feedback
Nachdem alle Beurteilungen durchgeführt wurden sollten Sie alle am Prozess Beteiligten zusammenbringen, um die Eindrücke über den/die Bewerber/in zu diskutieren. Jan empfiehlt, dies innerhalb von 24 Stunden nach dem Vorstellungsgespräch zu tun, damit die Erfahrungen noch frisch im Gedächtnis sind. Zudem sollten alle Anwesenden zu Beginn der Sitzung und zur gleichen Zeit abstimmen. Warum? Wenn leitende Angestellte oder andere Führungskräfte sich einmischen, kann es anderen Mitarbeiter/innen unangenehm sein, ihnen zu widersprechen. Für den Prozess ist es daher von Vorteil, alle abstimmen zu lassen, bevor die Meinungen der Schwergewichte das Ergebnis beeinflussen können.
Außerdem kann es vorkommen, dass Kandidat/innen in bestimmten Phasen der Bewertung gut abschneiden, aber in anderen weniger. Dies ist nicht unbedingt ein Hindernis, jedoch muss klar definiert sein, welche Erfolgsfaktoren für die Stelle am wichtigsten sind. Der Zweck dieser Diskussionsphase ist es, sicherzustellen, dass jeder die Möglichkeit hat, seine Eindrücke der Bewerber/innen mitzuteilen, um ein gutes Gesamtbild zu erhalten; was eine Person beobachtet, sieht eine andere vielleicht nicht. Daher ist es wichtig, alle Perspektiven einzuholen.
Lassen Sie den Prozess für sich arbeiten
Auf den ersten Blick wirkt es wie sehr viel Aufwand, Ihren gesamten Interviewprozess auf diese Weise zu überarbeiten, aber dies muss nicht auf einmal geschehen. Jan schlägt beispielsweise vor, hier schrittweise und pragmatisch vorzugehen. Sobald Sie sehen, was funktioniert und was nicht, können Sie den Prozess so anpassen, wie es für Ihr Unternehmen sinnvoll ist.
Ein Ratschlag zum Schluss: Der Interviewprozess ist Ihre Gelegenheit, einen positiven Eindruck bei den Bewerber/innen zu hinterlassen und Ihre Unternehmensziele zu unterstützen. Vielleicht ist es also an der Zeit, nicht mehr alles dem Zufall zu überlassen?
Mehr Informationen über den strukturierten Interview-Prozess von Oscar Health finden Sie in der Präsentation.