Übungen zur Schaffung einer kohärenten Unternehmenskultur

Im letzten Beitrag haben wir gelernt, wie Design-Mapping eingesetzt werden kann, um besser zu verstehen, wie die unterschiedlichen Teile Ihrer Unternehmenskultur zusammenhängen. Aufbauend auf dem Mapping-Prozess visualisieren wir im nächsten Schritt einen elementaren Teil Ihrer Kultur: Ihre zentralen Werte.
Diese zentralen Werte sind von entscheidender Bedeutung. Wenn Sie Ihre zentralen Werte nicht visualisieren können und wenn Ihr Team nicht beschreiben kann, wie das Unternehmen diese Werte verkörpert, kann sich Ihre Unternehmenskultur nicht optimal entwickeln. Damit eine Gruppe von Menschen auf höchstem Niveau zusammenarbeiten kann, müssen sie eine gemeinsame Vorstellung davon haben, wohin sie wollen, wie sie dorthin gelangen und wie sie auf dem Weg dorthin miteinander umgehen.
Bevor wir uns mit dem zweiten Teil des Kultur-Mapping-Prozesses befassen, gilt es zu definieren, was „zentrale Werte“ bedeuten, da diese manchmal mit anderen Begriffen verwechselt werden.
„Zentrale Werte“ – Definition
Ich habe schon viele Definitionen von Mission, Vision und zentralen Werten in verschiedenen Organisationen gesehen. Um es kurz zu machen, hier meine eigene:
Ihre Vision ist Ihr großer Plan – wie Sie die Welt verändern, einen Markt aufmischen oder eine Branche revolutionieren.
Ihre Mission ist der 1/3/5/10-Jahresplan in einem Satz zusammengefasst. Welche Schritte wollen Sie gehen, um Ihre Vision Realität werden zu lassen, und wie werden Sie dies erreichen?
Ihre zentralen Werte sind die Ideale, von denen Sie nicht abweichen, während Sie Ihre Mission zur Verwirklichung Ihrer Vision verfolgen.
Der einfachste Weg, um herauszufinden, ob Ihre zentralen Werte Hand und Fuß haben, ist es, sie Ihrer Bereitschaft gegenüberzustellen, Geld zu verlieren, jemanden nicht einzustellen oder jemanden zu entlassen. Wenn ein Kunde Sie darum bitten würde, einen Ihrer Werte für einen erfolgreichen Geschäftsabschluss zu kompromittieren, würden Sie es tun? Ein gutes Wertesystem, das klar und oft kommuniziert wird, kann dazu beitragen, dass bei Entscheidungsfindung auf Vorstandsebene bis hin zu den Mitarbeiter/innen an der Basis diese Werte zu unverrückbaren Grundsätzen im Arbeitsalltag werden. Die effektivsten Organisationskulturen basieren vor allem auf einem starken Wertesystem.
Einführung in die Übung
Nachfolgend finden Sie eine Übung zur Visualisierung Ihrer zentralen Werte: Was bedeuten sie wirklich und wie werden sie von Ihrem Team kommuniziert und gelebt? Wenn nötig, finden Sie hier auch eine Anleitung, um sie zu überarbeiten und zu stärken. Denken Sie daran, dass diese Übung sowohl für Ihre zentralen Werte als auch für Ihre Vision und Mission durchgeführt werden kann. In diesem Beitrag werden wir uns jedoch auf die zentralen Werte konzentrieren.
Es ist dringend zu empfehlen, hierfür mit einem funktionsübergreifenden Team aus verschiedenen Abteilungen und Ebenen Ihres Unternehmens zusammenzuarbeiten, das entsprechend unterschiedliche Mikrokulturen im Arbeitsalltag erlebt. Wenn Sie nur mit der Führungsebene zusammenarbeiten, um Ihre Werte zu erarbeiten, werden Sie nur erfahren, was Führungskräfte als inspirierend für Ihr Team erachten. Wichtiger ist es jedoch, herauszufinden, ob Ihre Werte für alle Mitarbeiter/innen Ihres Unternehmens wirklich das Gleiche bedeuten.
So funktioniert es:
Schritt 1: Identifizieren Sie Ihre Werte
Wenn Sie noch keine zentralen Werte definiert haben, finden Sie weiter unten eine Anleitung, um die Werte gemeinsam mit Ihrem Team zu erarbeiten.
Wenn Sie bereits ein vordefiniertes Wertesystem haben, schreiben Sie alle Werte einzeln auf ein grünes Post-It. (Sie können die bereits erstellten Notizen zur Mission, Vision und Werte aus der Übung im letzten Beitrag als Grundlage verwenden).

Sobald Sie alle Ihre Werte aufgelistet haben, bitten Sie alle Teilnehmer im Raum, einen Satz auf ein gelbes Post-It zu schreiben, der beschreibt, was dieser Wert für sie bedeutet.
Bitten Sie dann die Teilnehmer, sich eine Situation zu überlegen, in der dieser Wert in einer tatsächlichen Situation im Arbeitsalltag zum Tragen gekommen ist.

Ihre Werte sollten die Persönlichkeit Ihres Unternehmens widerspiegeln. Unsere Werte bei WeVue haben bewusst eine bestimmte Bedeutung. Es gibt eine Geschichte zu jedem einzelnen Wert, echte geschäftliche Gründe, die ihre Bedeutung unterstreichen und einen kleveren Aphorismus, der sie zusammenfasst. Sie passen zu den gemeinsamen Überzeugungen unserer Teammitglieder und begeistern uns für die Art und Weise, wie wir arbeiten. Ein Wert, der immer wieder vorkommt, ist „Spaß“ – und „Spaß“ hat für unterschiedliche Menschen eine unterschiedliche Bedeutung. In einem Unternehmen sind es freundliche Schlachten mit Nerf-Guns, in anderen ist es die gelegentliche Happy Hour nach der Arbeit. Es ist wichtig, zu verstehen, dass die Sprache hinter Ihren Werten irrelevant ist, solange die Bedeutung das Team wirklich begeistert.
Einer unserer Werte bei WeVue: „Guten Kaffee trinken“. Wir trinken tatsächlich guten Kaffee im Büro – aber es ist nicht die wörtliche, sondern die bildliche Ebene, die uns am meisten anspricht. Wir streben nach einem hohen Maß an handwerklichem Können bei der Entwicklung von Technologien und wir versuchen, die lokale Wirtschaft zu unterstützen, wann immer es möglich ist.
Kaffee muss nicht unbedingt teuer sein, um fantastisch zu schmecken. Guten Kaffee findet man fast überall auf der Welt und in eine gute Tasse Kaffee wird unglaublich viel Sorgfalt gesteckt, wenn die Person, die ihn macht, mit Begeisterung bei der Sache ist. Das Gleiche gilt für die Entwicklung von Software.
Vor ein paar Monaten hatten wir die Wahl zwischen zwei Entwicklungspartnern, die uns bei einem neuen Feature für unser Produkt unterstützen sollten. Ein Unternehmen hatte seinen Sitz in San Francisco und das andere war vor Ort bei uns in Tampa. Wir haben uns für den lokalen Anbieter entschieden, obwohl er ein wenig teurer war. In diesem Beispiel haben wir unsere Werte gelebt und mussten über diese Entscheidung nicht zweimal nachdenken.
Schritt 2: Notieren Sie, wie jeder Wert kommuniziert und gelebt wird
Im nächsten Schritt wird auf rosa Post-Its geschrieben, wie jeder einzelne Wert in Ihrem Unternehmen kommuniziert und gelebt wird. Die Notizen aus der letzten Übung können hier hilfreich sein, um zu verstehen, wie ihre Werte bereits kommuniziert werden.
Hier sind einige hilfreiche Fragen, die Ihnen und Ihrem Team dabei helfen können, herauszufinden, wie jeder Ihrer Werte in Ihrer Organisation kommuniziert und gelebt wird:
Werden sie auf Ihrer Website kommuniziert, sodass Bewerber/innen bereits vor der Bewerbung einschätzen können, welche Werte für Ihr Unternehmen wichtig sind?
Werden diese während des Bewerbungsprozesses konkretisiert? Stellen Sie den Bewerber/innen Fragen, um festzustellen, ob diese mit Ihrer Kultur und Ihrem Wertesystem übereinstimmen?
Schulen Sie neue Mitarbeiter zu Ihren Werten?
- Wenn Sie eine/n beliebigen Mitarbeiter/in Ihres Teams fragen, was die Werte Ihres Unternehmens sind, wüsste er/sie es aus dem Stegreif?
Werden Ihre Werte von der Führungsebene als Gesprächsthemen in Besprechungen, E-Mails und Updates mit einbezogen?
Werden Ihre Werte tatsächlich gelebt? Sprechen die Mitarbeiter/innen über sie und setzen sie diese auch im Arbeitsalltag um?
- Wenn jemand eine Entscheidung trifft, die nicht mit Ihren Werten übereinstimmt, wird er oder sie entlassen?

Ein weiterer unserer Werte bei WeVue ist, dass wir „nicht im Stau stehen“. Neuen Mitarbeitern erklären wir diesen Wert folgendermaßen: Wir halten es nicht für sinnvoll, Zeit zu verschwenden, nur um etwas so zu machen, wie es schon immer üblich war. Wenn Arbeitszeit von 9 Uhr bis 17 Uhr bedeutet, dass man dafür zwei Stunden im Auto unterwegs ist, dann sollte man nicht von 9 bis 17 Uhr arbeiten. Dieser Wert ist auch gleichzeitig ein nützliches Werkzeug für die Personalbeschaffung: Er ermöglicht uns, unseren Bewerberpool auf Bewerber/innen auszudehnen, die ungerne jeden Tag lange pendeln, nur um ins Büro zu kommen. Dieser Wert zeigt, dass wir mehr daran interessiert sind, wie die Arbeit geleistet wird, als von wo gearbeitet wird. Wir respektieren die Zeit unserer Mitarbeiter/innen und deren Fähigkeit, Dinge anders zu machen, wenn es sinnvoller ist, mit alten Konventionen zu brechen. Es gibt nichts Besseres, als wenn ein/e neue/r Mitarbeiter/in das erste Mal fragt, ob er oder sie später ins Büro kommen oder aufgrund einer Terminüberschneidung von zu Hause aus arbeiten kann, und wir antworten: „Da musst du nicht vorher fragen, du weißt doch – wir stehen nicht im Stau“.
Schritt 3: Finden Sie ungenutztes Potenzial
Basierend auf den Antworten auf die vorigen Fragen, markieren wir im nächsten Schritt die Bereiche, in denen Ihre Werte noch besser kommuniziert werden können mit orangefarbenen Post-Its. Häufig ungenutztes oder falsch eingesetztes Potenzial besteht beispielsweise dann, wenn Unternehmen einen teuren Management-Berater einstellen, um ihnen dabei zu helfen, Werte zu entwickeln, die aber die Kultur des Unternehmens nicht wirklich repräsentieren. Dies führt dazu, dass sich Teammitglieder nicht für die Werte interessieren und ganz bestimmt keine auf ihnen basierenden Entscheidungen treffen. Im Laufe dieser Übung sollten idealerweise bei den Schritten 1 und 2 alle Beteiligten einstimmig mit dem Kopf nicken, weil ein gemeinsames Verständnis hinsichtlich der Werte und Wertekommunikation besteht. In Schritt 3 sollten sich dann einige Aha-Erlebnisse abzeichnen, wenn klar wird, wie die Unternehmenskultur noch weiter gestärkt werden kann. Und sollte es während dieser Übung zu Unstimmigkeiten kommen, ist es möglicherweise an der Zeit, Ihre Werte zu überdenken.

Schritt 4: Keine Angst vor Veränderungen
Eine Veränderung der zentralen Unternehmenswerte wird oft ähnlich gefürchtet, wie ein Software-Produkt mit 1.000.000 Zeilen Code wieder einstampfen zu müssen. Keine Angst: Die Änderung Ihrer Werte ist eine der am einfachsten umzusetzenden Maßnahmen zur Steigerung der Mitarbeiterbegeisterung. Das Wichtigste ist, Werte zu erarbeiten, für die das gesamte Unternehmen Input geliefert hat, anstatt nur wahllos Schlagwörter wie „Innovation“ und „Teamwork“ und „Lernen“ aus dem Hut zu zaubern. Ihre Werte sind Ihre Identität und dienen als Grundlage Ihrer Employer Brand. Denn: Niemand möchte für ein Unternehmen arbeiten, das wie alle anderen klingt.
Wenn Sie einen oder alle Ihre Werte ändern möchten, gehen Sie genau die gleichen Schritte, wie oben beschrieben, durch. Dieses Mal sollten Sie jedoch die Fragen, die Sie Ihrem Team stellen, leicht anpassen:
Schritt 1: Anstatt als Erstes Ihre Werte aufzuschreiben, fragen Sie Ihr Team lieber direkt: „Was schätzen wir hier bei uns? Was ist uns wichtig? Wo gehen wir keine Kompromisse ein?“
Schritt 2: Beschäftigen Sie sich eingehend mit diesen potenziellen Werten und stellen Sie die Frage: Warum ist dies wichtig? Warum haben wir uns aufgrund dieser Überzeugung dafür entschieden, Geld liegenzulassen?“
Schritt 3: Identifizieren Sie, wie die Implementierung dieser Werte Ihr Unternehmen voranbringen kann, indem Sie die folgenden Fragen stellen: „Wird dieser Wert unsere Entscheidungsfindungsprozesse erleichtern? Wird er unsere Identität und Arbeit als Team definieren?“
Schritt 4: Lassen Sie es krachen. Versenden Sie nicht einfache eine E-Mail, in der Sie Ihren Mitarbeiter/innen mitteilen, dass Sie Ihre Werte überarbeitet haben. Organisieren Sie eine Party. Veranstalten Sie eine Vortragsreihe, in der Mitarbeiter/innen anhand von Beispielen berichten, wie sie diesen Wert gelebt haben. Machen Sie ein Video und verdeutlichen Sie immer wieder, WARUM dieser Wert nicht nur für Sie und das Managementteam wichtig ist, sondern auch für alle, die ihn gemeinsam erarbeitet haben.
Alles miteinander verbinden
Wenn Sie sowohl diese als auch die letzte Übung erfolgreich durchgeführt haben, verfügen Sie über eine Skizze Ihrer Unternehmenskultur, eine Übersicht über Ihre Werte und einen Werkzeugkasten, um Design Thinking auf eine Vielzahl von Problemen und Prozessen in Ihrem Unternehmen anzuwenden. Idealerweise haben Sie einige Wachstumschancen identifiziert und vielleicht sind Sie sogar über einen Wert gestolpert, der noch ein wenig Arbeit benötigt.
Neben Ihrer Unternehmenskultur und Ihren Werten können Sie diese Mapping-Technik auch für die Unternehmensvision und -mission, den Einstellungsprozess für neue Mitarbeiter/innen, den Prozess für den Weggang von Mitarbeiter/innen oder jeden anderen Prozess nutzen, der mit Menschen oder Kultur in Ihrem Unternehmen zu tun hat. Alles, was Sie dabei beachten müssen, ist: 1) Was wollen Sie darstellen? 2) Wie wird es intern kommuniziert und was bedeutet es? 3) Wie wird es extern kommuniziert? und 4) Wo gibt es Wachstums- bzw. Verbesserungspotenzial?
